Der Name des Dojos

Karate-Do Kyohan ist der Titel des ersten vollständigen Kompendiums der Kampfkunst Karate, geschrieben, bebildert und illustriert von Gichin Funakoshi 1930 – 35. Der Name bedeutet übersetzt „Das Meisterlehrbuch des Weges der leeren Hand“ oder freier „Die Lehre des Karate-Do“.

Der Vater des modernen Karate wurde 1868 im Bezirk Yamakawa (Shuri) auf Okinawa als Sohn einer Kleinadelsfamilie geboren. In vormaliger Zeit und noch darüber hinaus wurden die okinawatischen Kampfkünste ausschließlich im Geheimen vom Meister an die Schüler weitergegeben. Dies ist aus dem schwierigen Verhältnis des ehemaligen Königreiches der Ryukyu-Inseln und Japans zu erklären. Japan okkupierte Okinawa schon Anfang des 17. Jahrhunderts und unterdrückte die Bevölkerung mit eiserner Hand. Erst die zunehmende Öffnung Japans gegenüber der westlichen Welt (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) und der damit eingehenden Auflösung der alten feudalen Systeme, bewirkte auch auf Okinawa gesellschaftliche, politische und kulturelle Veränderungen.   

Funakoshi, noch ganz im Geist der alten Tradition erzogen, begann 1879 seine Karateausbildung unter den berühmten Lehrmeistern Yasutsume Azato und Anko Itoso und anderen Koryphäen. Er erwarb äußerst umfangreiche und tiefgehende Kenntnisse der verschiedenen Stilrichtungen (Ryu, Jutzu) Okinawas, die hauptsächlich über den Weg der Kata und deren Bunkai (Anwendung) in strengem, jahrelang andauernden Einzelunterricht gelehrt wurden. Diese Ausbildung geschah zumeist nachts, tagsüber mußte sich der normale Lebensunterhalt hart erarbeitet werden. Neben Land- und Gartenwirtschaft zur persönlichen Grundsicherung übte Funakoshi den Beruf des Schullehrers unter anderem in Naha (Stadt in Okinawa) aus.

1902 wurde erstmals eine öffentliche Karatedemonstration gezeigt, anläßlich des Besuchs des japanischen Schulkommisars Ogawa aus der Provinz Kagoshima. Dies Ereignis führte dazu, dass sich das Kultusministerium in Tokio 1903 dazu entschied Karate als Unterrichtsfach in den Mittelschulen Okinawas einzuführen. Karate wurde 1916 zum ersten Mal in Kyoto, Japan vorgeführt. 1921 bei einem Besuch von Kronprinz Hirohito auf Okinawa wurde eine große Karatedemonstration geboten. Die Vereinigung der Kampfkünste Okinawas wurde daraufhin zu Karatedemonstrationen nach Tokio geladen und man entschied sich Funakoshi zu entsenden.

Er blieb dauerhaft in Japan und gründete unter schwierigsten Anfangsbedingungen in den verschiedensten Universitäten Karategruppen: 1922 erster Karateklub in Tokio, 1924 an der Keio-Universität, es folgten 1926 Ishiko, 1927 Takushoku, Waseda, Hosei, Meiji, Nichon, Shoda und weitere Universitäten. Im November 1922 wurde der früheste Karatetext von Gichin Funakoshi veröffentlicht, „Ryukyu Kempo Karate“, dessen originale Druckplatten leider beim großen Erdbeben von 1923, durch einen Brand vernichtet wurden.  

Erst 1925 gelangte die Essenz dieses Textes in einem neuen Buch mit dem Titel „Rentan Goshin Karate Jutsu“ mit zahlreichen Fotos, Ergänzungen und Revisionen an die Öffentlichkeit. 1930/32/35 erweiterte Funakoshi das Werk zu einem Kompendium des Karate-Do, das über das alte Okinawa-Te weit hinausging. Das philosophische Grundgerüst nahm ebenso wie die Vermittlung von Kata einen breiten Raum ein. Die systematisierte Kihonbasis auf Grund der Kata wurde weiterentwickelt, erste Kumiteformen, wie Kihon-Ippon und Sanbonkumite gewannen zunehmend Gestalt. Übungen aus dem Sitzen, Wurf- und Hebeltechniken, Waffenkunde ( Kobudo ), Frauenselbstverteidigung und die Kenntnis der Vitalpunkte gehören nun zu den Kapiteln. Wie man ein Makiwara baut und gebraucht und eine Sammlung von grundlegenden  Karatetheorien rundeten das Gesamtwerk ab.

Karate-Do Kyohan glänzt durch historische Fotos vom Großmeister selbst und wunderschöne,  teilweise selbstverfasste Kalligraphien und machen dieses Buch zu etwas Einzigartigem. In seinen letzten Lebenjahren (1957)  vervollkommnete Funakoshi nochmals Karate-Do Kyohan.

Die Fotos zeigen nun den Meisterschüler Shigeru Egami in Perfektion, zudem wurde das Werk ins Englische übersetzt. Die alte Originalausgabe wurde 2005 ebenfalls ins Englische gebracht.

1936 wurde das „Shotokan-Dojo“ in Tokio von seinen Schülern errichtet. Shoto bedeutet wörtlich  „Pinienrauschen“, Kan bedeutet „Tempel oder Haus“. Shoto war der Künstlername von Funakoshi, mit dem er seine Gedichte und Kalligraphien zu unterschreiben pflegte. 1945 wird das Dojo bei  einem Luftangriff vollständig zerstört. Ebenso starb der Sohn und Meisterschüler von Gichin Funakoshi Yoshitaka im selben Jahr an Tuberkulose. 1947 verstarb die Ehefrau. Der fast siebzigjährige Funakoshi zog sich aus der aktiven Trainingsführung zurück und beauftragte Shigeru Egami mit der Leitung des Trainings, was zur Entstehung des Shotokai führte.

Schon in den ersten Jahren hatte Gichin Funakoshi mit in den in Japan stattfindenden Modernisierungsprozessen Schwierigkeiten. Die okinawatische Lehrmethode Karate als ganzheitliches Konzept über ein langjähriges Studium einzelner Kata und deren Bunkai zu unterrichten, stieß in Japan auf Ablehnung. Man wollte mehr Abwechslung und vor allem den freien Kampf. Es kam zu sehr ernsthaften Zerwürfnissen zwischen Funakoshi und Meisterschülern. Einige waren extreme Traditionalisten, andere wollten Modernes schaffen. Funakoshi konnte es beiden Seiten nicht recht machen. Das wiederum führte zu Neugründungen von mannigfaltigen Stilrichtungen. 1946 kam der Funakoshi- und Egamischüler Masatoshi Nakayama aus dem Krieg zurück und gründete 1949 die Japan Karate Association, deren Ziel es war, die Shotokanstilrichtung unter folgenden Voraussetzungen zu etablieren. Es entstand ein Regelwerk für Karatewettkämpfe, es wurde ein Instruktorenkurs organisiert und Trainer und Schüler elitär für den Wettkampf ausgebildet. Über die Jahre hinweg verbreiteten ausgewählte Spitzenkarateka das Wissen über Karate-Do weltweit erfolgreich. Unter den bedeutensten Persönlichkeiten sind unter anderem neben Masatoshi Nakayama, Nishiyama, Kanazawa, Enoeda, Shirai, Kase, Tabata, Ida, Oishi, Tanaka und vor allen Dingen für Deutschland Hideo Ochi, jetziger Chefinstruktor des DJKB zu nennen. Das JKA-Shotokan-Karate etablierte sich weltweit zu einem erfolgreichen Wettkampfsystem und Lehrmethode. Vieles wurde von Meister Funakoshi übernommen, jedoch die in die Tiefe gehenden Informationen, wie sie durch Karate-Do Kyohan vermittelt werden, werden heute leider kaum noch gelehrt.

Das Dojo versucht im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten die Werte des Buches    hochzuhalten und dessen Lehrinhalte zu vermitteln. Wir gehen dabei nicht dogmatisch vor und sehen den Zusammenhang zwischen dem was uns durch Shihan Ochi vermittelt wird und der Lehre des Funakoshi. Wir wollen in erster Linie Kampfkunst lernen. Wettkampf, vor allen Dingen für die Jugend, ist gut und richtig und er hat seinen Stellenwert im Dojo. Sport hilft in friedvollen Zeiten Aggressionen mit  Fairplay zu begegnen. Sich gegenseitig aneinander zu messen, kann positive gewaltfreie Motivation fördern.

Die Kampfkunst aber geht weit darüber hinaus und formt durch ihre Ernsthaftigkeit zwischen Leben und Tod den gesamten Menschen ein Leben lang. Betrachtet man die zwanzig Paragraphen des Karate-Do, die zutiefst geprägt sind vom chinesischen Konfuzianismus, Taoismus und Zen , von Funakoshi wahrscheinlich zu Beginn der dreiziger Jahre verfasst, so kann man erahnen, wohin einen die Reise führen könnte. Das ernsthafte Studium der Kampfkünste allgemein, hier im besonderen Karate-Do, bringt den Menschen dazu über die bloße Profanität hinaus zu gehen.  Die meisten Techniken des Karate-Do und seiner daraus resultierenden Selbstverteidigung sind gefährlich. Im Krieg geboren, durch Blut getauft, können sie den potentiellen Gegner schwer verletzen und ihn sogar töten. Sie sind konsequent und endgültig. Im Sport hingegen wurde ihr Gebrauch entweder verboten oder so entschärft, dass sie wenig Gefahr darstellen. Betreibt man nur Sportkarate, geht der ernsthafte Hintergrund verloren und auch die Fähigkeit zur realistischen Selbstverteidigung wird in Frage gestellt. Funakoshi betonte zeitlebens die primäre Wichtigkeit einer Ethik die zur Gewaltlosigkeit führen muss, wir schließen uns dem an.